II. ADVENT
Evangelium nach Lk (3,1-6):
Wir wissen was kommt, wenn wir hören: „Es war einmal...“ Es folgt ein Märchen. Aber so redet der Evangelist Lukas nicht. Was er zu erzählen hat, hat in einer konkreten historischen Situation stattgefunden, mit historischen Persönlichkeiten, Machthabern und großer Politik: Einem Kaiser Tiberius, einem Statthalter Pontius Pilatus, mit den Königen Herodes, Philippus und den höchsten Religiösen Autoritäten, Hannas und Kajaphas. Sie bestimmen über Leben und Tod. Aber in einer kleinen Ecke des Landes tritt ein großer, prophetischer Redner auf, der eine andere Sprache spricht und von Gott redet. „Macht Gott die Wege bereit. Ebnet ihm die Straßen! Alle Welt wird sehen, wie Gott die Rettung bringt!“ Alle Welt: Die Großen und die Kleinen, die Mächtigen und die Unwichtigen in dieser Welt werden sehen, wie Gott eingreift, wie Gott - in Jesus - auf sie zukommt. Nur müssen wir alles aus dem Weg räumen, was ihn dazu hindern kann, die Straßen freimachen, damit Gott wirklich auf uns zukommen kann.
Viele Menschen machen sich zu Johannes auf den Weg und wollen ihm zuhören. Auch Jesus wird sich ihm anschließen und dann selbst anfangen, von Gott zu reden, dass Gott anfängt, sein Reich aufzurichten. Jesus aber redet über Gott anders als Johannes. Dieser fordert die Menschen auf sich zu ändern, ihre Sündigkeit einzugestehen, denn Gott kommt, um zu richten und alle zu verurteilen, die sich nicht bekehren. Johannes hängt einem alten Gottesbild an: Gott als strafender Richter, der auch irgendwie Angst macht. Jesus redet anders. Er will die Menschen nicht vorwerfen, wie sündig sie sind, dass sie Buße tun müssen, damit Gott sie von ihrer Schuld befreien, sie aus ihrer Sünde retten kann. Jesus will den Menschen kein schlechtes Gewissen machen, sondern sie froh machen: Gott mag euch! Er ist ein liebender und barmherziger Gott.
Das wird oft falsch verstanden. Gott liebt uns nicht „so, wie wir sind“, einschließlich unserer negativen Seiten, unseres Fehlverhaltens, unserer Schuld. Diese heißt er nicht gut. Aber Gott liebt mich, obwohl ich bin, wie ich bin. Ein alter Kirchenvater hat das so umschrieben: „Gott liebt nicht die Sünde, sondern den Sünder.“ Jesus verkündet da einen Gott, der uns aufatmen lässt, vor dem wir keine Angst haben sollen, zu dem wir Vertrauen haben können, bei dem wir uns geborgen fühlen dürfen. Das ist die frohe Botschaft von Jesus von und über Gott. Dieser Gott gibt uns in Jesus eine Zukunftsperspektive, befreit uns aus einem Gefühl der Verlorenheit, Angst um uns selbst und tiefster Einsamkeit. Weil Gott mich liebt, bin ich grundsätzlich liebens-wert, ich bin es wert, geliebt zu werden, trotz allem. Deswegen kann ich auch mich selbst annehmen. Ich kann selbstbewusst leben.
Dieser Gott will auf mich zukommen, will in meinem Leben anwesend und positiv wirksam sein. Aber er respektiert meine Freiheit. Ich muss es zulassen, ich muss es ihm ermöglichen, dass er mich anspricht. Ich muss ihm die Tür aufmachen, wenn er bei mir anklopft, ihm den Weg, die Straße freimachen, Hindernisse aus dem Weg räumen.
Wie beantworte ich diese Einladung? Wie kann ich bewusst Gott in meinem Leben Zugang verschaffen? Wie kann ich mich bewusst von ihm ansprechen lassen? Was hindert mich daran? Wie kann ich mein Leben stärker an Gott ausrichten, damit er bei mir ankommen kann? Das sind Fragen, die ich selbst ganz persönlich beantworten muss und die nur ich selbst beantworten kann, gerade jetzt in der Adventzeit!
„Macht den Weg bereit, auf dem Gott kommt! Ebnet ihm die Straßen! Räumt die Hindernisse aus dem Weg! Gott ist unterwegs zu dir!“ Das ist kein Märchen.